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Erinnerungen an Weihnachten - Im Banat gab es keine Einzelkinder

Wenn man sich auf die Anzahl der Kinder eines Elternpaares bezieht, dann gab es natürlich sehr wohl „Einzelkinder“ im Banat. Ich bin in Temeschburg zur Welt gekommen und habe bis heute keine Geschwister. Per Definition also ein Einzelkind. Dieser Satz im Titel war aber im übertragenen Sinne gemeint und eine Aussage, die ich in einer Unterhaltung neulich mit einem „hiesigen“ Freund führte. Und dabei ging es um die Feiertage und vor allem um Weihnachten. In der aktuellen Situation wird das Weihnachtsfest dieses Jahr leider wieder nur im engsten Kreis stattfinden können. Dieser beschränkt sich auf die Kernfamilie.

Die festliche geschmückte Kirche Maria und Bartholomäus aus Harsefeld (Niedersachsen)

Für viele meiner Kollegen, Freunde und Bekannten ändert sich dadurch aber gar nicht so viel. Auch an den Weihnachtsfesten davor waren diese meist ebenfalls nur im kleinen Kreis. Mir ist dieser Unterschied über die Jahre immer deutlicher aufgefallen und wenn ich zurück an meine Kindheit denke, dann waren die Weihnachtsfeste einfach ein großes, besonderes Zusammenkommen und dies lief ganz anders ab, als bei vielen meiner Schulfreunde und später auch bei Kommilitonen oder Kollegen. Es kam mir daher immer so vor, als ob ich in einer Großfamilie lebe und weit vom Einzelkind entfernt bin. Zumindest hatte man dieses Gefühl an den Feiertagen. Alleine am Heilig Abend trafen wir uns mit Onkel und Tante, der Schwester von der Großmutter, deren Mann und sämtlichen Cousins, das waren dann schon mal schnell 15 Personen. Und dies war dann nur der ganz kleine Kreis.

Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag folgten die Besuche und Gegenbesuche. Man ging von einer Wohnung mit vollgedecktem Kuchentisch zu nächsten, die ja nur ein paar Straßen weiter lag. Sollte nach den Spezialitäten aus Banater Küche am Mittagstisch noch etwas Platz im Magen sein, konnte man bei vielen weiteren Verwandten süße Leckereien schmausen und ein paar Stunden später war es draußen auch schon wieder dunkel, somit wurden die Tische mit köstlichen Speisen für den Abend gedeckt. Selbst produziert, von Hand eingelegt und eigens gekocht versteht sich!

Durch die Aussiedlung aus dem Banat ergab es sich bei den meisten Landsleuten, dass man sich an den Orten in Deutschland niederließ, wo bereits Verwandtschaft wohnte. Und so haben wir in Nordheim in Baden-Württemberg gefühlt halb Kovatschi vertreten. Auch nach den Weihnachtsmessen sah der Platz vor der Kirche mit den vertretenen Menschen dem Kirchhof in der Mehala sehr ähnlich. Viele meiner hiesigen Freunde kennen nicht einmal ihre Cousins zweiten Grades. Bei den Weihnachtsfesten, die wir gefeiert hatten, waren sogar Cousins dritten oder vierten Grades vertreten. Es war einfach ein jeder ein Cousin. Genauso war auch jeder in der Generation meiner Eltern quasi ein Onkel oder eine Tante. Und jeder in der Generation drüber ein Path und jede eine Goth. Das heißt ich hatte unzählige Onkel und Tanten sowie Paths und Goths, dazu unglaublich viele Cousins. Dementsprechend war gerade Weihnachten ein wunderschönes Fest sowie eine ganze besondere Zeit für mich. Und daher meinte ich in dem Gespräch mit dem erwähnten Freund, dass es im übertragenen Sinne bei uns gar keine Einzelkinder gab, sondern nur eine sehr große Familie. Und es ging auch noch darüber hinaus. An den Tischen saß nämlich auch der Cousin vom Nachbar des Onkels des Schwippschwagers von der Vereinskollegin ihrer Nichte. Ich denke ihr wisst, was ich meine, es waren einfach alle dabei. Das war sehr schön.

Ich bin immer wieder dankbar für die Möglichkeit, dass ich so aufwachsen konnte. Es war nicht nur ein jedes Jahr spannend, unterhaltsam und vielseitig, es hat mich auch für mein Leben geprägt und mein Bewusstsein für die Größe der Menschheitsfamilie auf unserem Planeten insgesamt geformt. Diese Erfahrungen aus der Kindheit, durch die Wärme und Zuneigung, die zu den Feiertagen von so vielen Menschen geteilt wurde, haben mir gezeigt, dass wir doch alle verschieden sind, aber auch alle wiederum gleichgesinnt. Und dass wir alle zueinander Brüder und Schwestern sind und im Grunde eine weltumfassende Familie. Auch in schwierigen Zeiten müssen wir zusammen halten. In diesem Sinne wünsche ich Euch frohe Weihnachten!