Jahrzehntelanger Einsatz für die Gemeinschaft
Immer wieder muss ich an meine Oma Eva Hanel denken. Da erinnere ich mich, wie sie in den achtziger Jahren ab und zu ein Paket beim Zoll abholen musste. Das muss wohl kein Spaß gewesen sein, denn sie kam nie gut gelaunt mit dem Paket nach Hause. Dafür aber enthielt es immer schöne und seltene Sachen, wie Schokolade, Zucker oder Öl, Produkte, die damals im Banat selten und kostbar waren. Später fielen die Pakete aus, dafür aber gab es ein Guthaben, das man im Shop einlösen konnte. Dann gab es für jeden ihrer Enkel etwas Besonderes, das man sonst nicht zu kaufen bekam. Ich hatte meine Oma mal gefragt, wo die Pakete herkämen. „Aus Deutschland“, lautete ihre knappe Antwort. Da wir keine engen Verwandten in Deutschland hatten, war ich verwundert und hakte nach: „Wie, aus Deutschland?“ Statt einer Antwort gab es einen Blick, denn ich gut kannte, wenn etwas unausgesprochen bleiben sollte. Das hieß: „Frag lieber nicht“.
Heute weiß ich, woher die Pakete kamen, obwohl ich Oma nicht mehr fragen kann. Die Heimatortsgemeinschaft Giseladorf/Panjowa hatte nach ihrer Gründung angefangen, die Landsleute im Banat mit Paketsendungen zu unterstützen. Die Gründung erfolgte Ende Oktober 1982, während einer akribisch organisierten Hundertjahrfeier seit der Gründung des Dorfes. Zu den Organisatoren des Festes und Gründern der Heimatortsgemeinschaft zählte auch Mathias Egler, der damals zum Vorsitzenden gewählt wurde. Dieses erste Treffen der Giseladorfer und Panjowaer war der Auftakt zu einer ganzen Reihe von schönen Festen, die alle zwei Jahre veranstaltet wurden. Mit Liebe zum Detail organisierte Mathias Egler mit Unterstützung der jeweiligen Vorstandsmitglieder sechzehn Heimatortstreffen, wobei es ihm stets darum ging, alles Wichtige zu berücksichtigen: den Gottesdienst, die Einbindung der Landsmannschaft sowie befreundeter Heimatortsgemeinschaften und Kreisverbände, ein umfangreiches Kulturprogramm und nicht zuletzt die gute Tanzunterhaltung bis spät in die Nacht.
Dreißig Jahre lang leitete Mathias Egler die Geschicke der HOG Giseladorf/Panjowa. Nicht jeder mag seine fordernde Art und seine scharfe Zunge. Unter der harten Schale verbirgt sich aber ein gutes Herz. Obwohl er schon früh seinen Heimatdorf verlassen hat, um zu studieren, hat er sich über Jahrzehnte unermüdlich für seine Landsleute engagiert und viel für die Gemeinschaft geleistet. Man denke hier nur an die von ihm im Laufe der Jahre angeregten, herausgegebenen und mitverfassten Publikationen: die Festschrift „100 Jahre Giseladorf“ (mit Sepp Schmidt, 1982), „Mei Giseladorf“, mit Gedichten und Erzählungen von Hans Pape (1987), das 800-seitige „Heimatbuch Giseladorf und Panjowa“ (mit mehreren Mitwirkenden, 1990), die Nachrichtenbroschüre „Giseladorfer Bote“ (2000), das „Familienbuch der katholischen Pfarrgemeinde Giseladorf und Panjowa“ (Koautor, 2001), das „Friedhofsbuch der katholischen Pfarrgemeinde Giseladorf“ (Koautor, 2003) sowie die Festschrift zum 125. Jubiläum von Giseladorf und zum 25-jährigen Bestehen der HOG (2007). Zu erwähnen sind auch die von Mathias Egler eingeleiteten Maßnahmen zur Renovierung der Heimatkirche 2007 und seine Bemühungen um den Erhalt des Friedhofs.
Als ältester Sohn von Franz Egler und Eva Egler, geborene Pape, am 29. September 1936 in Giseladorf geboren, wuchs Mathias Egler mit seinen zwei Schwestern auf. Er erinnert sich gerne an seine Kindheit in Giseladorf, an den Besuch des deutschen Kindergartens und der Volksschule sowie an seine Zeit als Ministrant in der stattlichen Dorfkirche. Mit Ausnahme der ersten Klasse, musste er die rumänische Schule in Giseladorf besuchen, da es gleich nach dem Krieg keine deutsche Schule mehr im Ort gab. Ab der sechsten Klasse wechselte er an die Deutsche Elementarschule in Lugosch. Zielstrebigkeit und Fleiß zeichneten den Jungen aus, der 1950 Schüler der Deutschen Pädagogischen Lehrerbildungsanstalt in Temeswar wird. Seine Zeit in der „Päda“ hat Mathias Egler besonders in Erinnerung. Er hält bis heute Kontakt zu seinen ehemaligen Kommilitonen und nahm regelmäßig an den Jahrgangstreffen teil. 2006 zeichnete er für die Herausgabe des Bandes „Der Absolventenjahrgang 1954 der Deutschen Pädagogischen Lehrerbildungsanstalt Temeschburg“ verantwortlich.
Mathias Egler wurde aber nicht Lehrer, sondern entschied sich für ein Studium am Bukarester Polytechnikum, wo er 1959 einen Abschluss als Diplom-Ingenieur im Bereich Transporttechnologie (Eisenbahntechnik) erwarb. Erste Berufserfahrung sammelte er in Temeswar und Lugosch, bevor er 1961 Leiter des Technischen Büros bei der Bahndirektion Temeswar wurde. In Temeswar lernte er seine Frau Agnes kennen und lieben, die er 1970 ehelichte. Technisch begabt und an Neuem interessiert, nutze Egler 1967 die Gelegenheit, ans neu gegründete Elektronische Rechenzentrum des Ministeriums für Transport und Fernmeldewesen nach Bukarest zu wechseln. Nach einjähriger Weiterbildung im EDV-Bereich und anschließender sechstmonatiger Tätigkeit als Programmierer und Projektleiter bei Siemens in München, kehrte er Ende 1968 nach Bukarest zurück. Dort betreute er mehrere Projekte im Bereich der Programmierung für Lineare Optimierung und Simulationstechnik. Egler entfaltet eine abwechslungsreiche und international vernetzte Tätigkeit und übernimmt 1973 die Leitung des Betriebs des Real-Time-Univac-Rechenzentrums.
Eine Dienstreise führte Mathias Egler 1977 nach Deutschland. Er nahm die Gelegenheit wahr und blieb in München. Seine Frau folgte ihm etwas später. Bei Siemens knüpft er nahtlos an seine Tätigkeit an und arbeitet bei unterschiedlichen Simulationsprojekten im Betriebsnetz der Deutschen Bahn mit. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1999 leitete er mehrere Großprojekte und unterrichtete auch Programmiersprachen und Simulationstechnologie.
In München engagierte sich Mathias Egler im Kreisverband der Landsmannschaft der Banater Schwaben, er besuchte dessen Veranstaltungen und trat auch als Referent auf. Er war viele Jahre Mitglied im Vorstand des Hilfswerks der Banater Schwaben, dessen Homepage von ihm erstellt und betreut wurde. Diese wie auch die Homepage der HOG Giseladorf/Panjowa.de waren zwei der ersten Websites von landsmannschaftlichen Gliederungen.
In Anerkennung seiner Verdienste um die Gemeinschaft, zeichnete ihn die Landsmannschaft der Banater Schwaben 2001 mit der Verdienstmedaille in Gold aus.
Eine kleine Urlaubsheimat fand der Jubilar in einem Ferienhaus in Bibione, wo er die letzten 37 Jahre den Spätsommer verbrachte.
Seine ehrenamtliche Arbeit wurde stets tatkräftig von seiner Ehefrau Agnes unterstützt. Als sie nach langer Krankheit ihrem Krebsleiden erlag, ist für unseren Matz die Welt zusammengebrochen. Ein Fahrradunfall und eine künstliche Schulter machten ihm zusätzlich zu schaffen. Doch dann fasste er wieder Lebensmut. Er genießt seinen Lebensabend, und auch wenn er dieses Jahr nicht nach Bibione reisen konnte, geht er in seiner Aufgabe als Opa der Enkelin seiner zweiten Frau voll auf.
Im Namen seiner Giseladorfer Landsleute und Freunde wünschen wir Mathias Egler zum 85. Geburtstag alles erdenklich Gute und vor allem Gesundheit. Wir würden uns freuen, ihn beim nächsten Treffen der HOG Giseladorf/Panjowa wiederzusehen. Der Vorstand bereitet zum 140. Gründungsjubiläum von Giseladorf und zum 40. Jubiläum der HOG ein Fest vor, das ihm gefallen könnte.